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Feuilleton Montag, 18. Februar 2002

Politisch, verwackelt, deutsch

Erstmals gewinnt ein Zeichentrickfilm den Hauptpreis der Berlinale - aber nur zur Hälfte

Von Peter Zander

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Da staunt die Zeichentrickfigur: Mit «Spirited Away» erhielt erstmals ein Trickfilm einen Goldenen Bären für den besten Film... Bild vergrößert darstellen
Foto: IFB
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... aber nur zur Hälfte: Ein zweites Bärengold geht an die irisch-britische Koproduktion «Bloody Sunday». Bild vergrößert darstellen
Foto: IFB

Sensation auf der Berlinale! Erstmals gewinnt ein Zeichentrickfilm den Hauptpreis - zumindest zur Hälfte: Ein Goldener Bär geht an das japanische Fantasy-Abenteuer «Spirited Away» von Hayao Miyazaki. Ein Film, der nicht so leicht auf eine Formel zu bringen ist, der Kunst ist, nicht Kunstgewerbe, der von Kindern handelt, aber für Erwachsene gedacht ist - und in Japan sämtliche Rekorde gebrochen, ja selbst «Titanic» versenkt hat.

Es mag Zufall sein, dass dieser Goldene Bär just in dem Jahr vergeben wird, in dem auch bei der Oscar-Verleihung erstmals eine Extra-Statuette für Animationsfilme vergeben wird. Aber es zeigt, dass die Bedeutung des Genres weiter zunimmt und das alte Klischee «Zeichentrick = Kinderfilm» endgültig widerlegt. Dies nicht zuletzt dank der digitaltechnischen Revolution. Obwohl «Spirited Away» größtenteils noch in konventioneller, überaus aufwändiger und bestechender Handarbeit entstand.

Man muss in der Geschichte des Festivals schon sehr weit zurückblicken, um eine ähnliche Sternstunde des Trickfilms zu finden. Genau genommen bis 1951, der allerersten Berlinale. Hier gewann Walt Disneys «Cinderella» einen Goldenen Bären. Aber damals unterschied man noch in vier unterschiedlichen Genres - Drama, Komödie, Kriminal-/Abenteuerfilm und Musical. «Cinderella» wurde natürlich der letzten Sparte zugeordnet, während die Hauptsparte von jeher das Drama war. Seit es nur noch einen Goldenen Bären für den besten Langfilm gab, führte der Trickfilm dann auch wirklich ein Aschenputtel-Dasein. Schaffte es überhaupt mal eine Animation in den Wettbewerb, dann fast immer als Sondervorführung außer Konkurrenz - wie 1996 «Toy Story» und 1998 «Prinzessin Mononoke».

Der diesjährige Entscheid der Internationalen Jury beweist also Mut. In einem Wettbewerb, der ohne besondere Tiefschläge auskam (wie sie in der Vergangenheit durchaus dazugehörten), aber eben auch keine herausragenden Meisterwerke präsentierte (wie beispielsweise «Magnolia» vor zwei Jahren), ragte «Spirited Away» mit seiner überbordenden Fantasie und seiner imposanten Poesie zwar weit hinaus. Aber dem Geheimtipp hatte dennoch niemand ernsthafte Chancen eingeräumt - weil's halt «nur» ein Trickfilm war.

Dennoch ging der Mut der Jury nicht weit genug. Das der Hauptpreis mal wieder aufgeteilt wurde, ist eine fast schon lieb gewordene Tradition. Wann immer sich die Jury nicht einigen kann, muss noch ein Goldener Bär extra gegossen werden. Das kam in den letzten 51 Berlinalen bereits sieben Mal vor, zuletzt 1993, als mit «Das Hochzeitsbankett» ein taiwanesischer und mit «Die Frauen vom See» ein chinesischer Film sich das Gold teilen mussten: damals ein politisches Signal. 1978 wurden gar drei Filme auf einmal ausgezeichnet.

Dennoch ist der zweite Goldene Bär für «Bloody Sunday» irgendwie logisch. Die wirklichen Stars des Festivals waren nicht Catherine Deneuve und nicht Russell Crowe, weder Halle Berry noch Kevin Spacey. Der eigentliche Star war der politische Film, der hier ein deutliches Comeback feierte. Der weithin unbekannte Christoper Roth malte sich sein ganz persönliches Bild des RAF-Terroristen «Baader»; eine japanisch-koreanische Koproduktion «KT» ging der brisanten Frage nach, inwieweit der japanische Geheimdienst an der Entführung des koreanischen Dissidenten Kim Dae-Jung beteiligt war. István Szabó stellte im «Fall Furtwängler», Costa-Gavras in «Amen. Der Stellvertreter» die Frage nach Schuld und Mitwisserschaft im Nazi-Reich. Wie Costa-Gavras zeigte auch Bertrand Tavernier in «Laissez-passer» zwei Möglichkeiten auf, wie man Widerstand (hier im besetzten Frankreich) leisten konnte. Da passte Charles Chaplins grandiose Hitler-Parodie «Der große Diktator» als Abschlussfilm bestens ins Konzept.

Der zweite heimliche Star war die kleine, zierliche Digital-Video-Kamera, mit der ein Großteil der Filme gedreht wurde, was fast den Anschein erweckte, die Berlinale sei eine heimliche Werbeveranstaltung des Kameratyps. Oder ein verstecktes, zweites Dogma-Manifest. Die verwackelten Bilder waren wenngleich nicht immer dramaturgisch notwendig, so doch omnipräsent. So dass selbst das deutsche Jury-Mitglied Oskar Roehler mit einem Stoßseufzer bekannte, er könne das nicht mehr länger ertragen.

«Bloody Sunday» ist der einzige Film, der die beiden heimlichen Berlinale-Stars vereint. Ein Film von eminent politischer Bedeutung, weil hier einer der dunkelsten Tage im Nordirlandkonflikt von Iren und Briten gemeinsam rekonstruiert wurde. Und einer, der sich bewusst der Handkamera als ästhetisches Mittel bedient, um den Zuschauer direkt in die chaotischen Unruhen hineinzuziehen.

Auch die erfreulich starke Präsenz des deutschen Films schlug sich in der Preisvergabe nieder: Andreas Dresen, der gestern schon mit mehreren Preisen der Unabhängigen Jurys bedacht wurde und um ein Haar auch den Leserpreis der Berliner Morgenpost erhalten hätte, wurde für seine Frittenbude «Halbe Treppe» mit dem zweitwichtigsten Bären, dem Großen Preis der Jury, ausgezeichnet.

Man könnte bei der gestrigen Bärenvergabe einmal mehr ein gewisses Gießkannenprinzip bekritteln. Tatsächlich hat die Internationale Jury die Trends dieses Festivals aufgespürt und angemessen gewürdigt. Dennoch war dies kein Diktat: Zumindest den Preis für die beste Regie heimste ein Werk ein, das weder politisch noch verwackelt noch deutsch war: «Lundi matin» (Montag morgen), ein wunderbar leiser, lange nachwirkender Film von Otar Iosselani, der fast ohne Dialog die ganz alltäglichen Nebensächlichkeiten heiter und ironisch inszeniert.

   

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